Brecht in Augsburg: Spurensuche zum Start des Brechfestivals
Augsburger und Augsburg-Besucher kommen vor allem im Februar an einem nicht vorbei: Bertolt Brecht, einer der berühmtesten Söhne der Stadt, steht im Zentrum des Brechtfestivals. Jedes Jahr ranken sich Lesungen, Theaterstücke, Konzerte und vielerlei andere Events um den literarischen Nachlass. Für mich Anlass genug, Augsburg nach Brechts Spuren zu durchstöbern.
Knallroter Brecht mit Kappe
An einigen markanten Punkten im Augsburger Stadtbild lungert eine dürre Gestalt mit der charakteristischen Schiebermütze herum: Stelen aus Metall mit der Silhouette Brechts, auf denen sich Stadtpläne und Tourenhinweise befinden. Für mich als Augsburg-Neuling ein guter erster Hinweis, um neue Plätze der Stadt kennenzulernen und mich Brecht mal wieder etwas anzunähern – nach zugegeben langer Abstinenz. Mein letzter Brechtkontakt liegt viele Jahre zurück, abgesehen von der Lektüre der „Geschichten von Herrn Keuner“ irgendwann in Klasse 9 oder so.
Eine Stadt sieht rot
Nicht nur wegen der knalligen Stelen sehen viele Augsburger rot, wenn es um Brecht geht. Mit seiner kommunistischen Anschauung hatte Augsburg zu Lebzeiten des Dichters scheinbar einige Probleme. Erst Ende der 1960er Jahre setzte sich nach einigen Streitereien die Ansicht durch, dass Brecht auch in Augsburg eine Würdigung verdient habe. Auch die Brechtbühne setzt einen knallroten Akzent neben dem altehrwürdigen Schauspielhaus. Die Fassade erinnert an einen Theatervorhang und nimmt farblich wunderbar Bezug auf die übrigen Brecht-Punkte. Doch wo lässt sich Brechts Biografie denn noch an Augsburg festmachen?
Kleine Brecht-Tour durch Augsburg
Bei einem Spaziergang von ca. 45 Minuten kommt man an vielen Orten vorbei, die mit Brecht verbandelt sind.
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Geburtsthaus (Am Rain 7)
Hübsch hier im Lechviertel! Ganz schön schmuck sieht es entlang der vielen kleinen Lechkanäle aus. Als Bertolt Brecht am 10. Februar 1898 hier in einem Wohnhaus aus dem 16. Jahrhundert geboren wurde, sah es hier aber noch ganz anders aus. Lärm, Dreck und Gestank prägten das Handwerkerviertel zu dieser Zeit. Im Haus der Brechts befand sich auch noch eine Feilenhauerei. Wenige Monate nach der Geburt zog die Familie um – siehe Punkt 3 dieser Liste. Im Geburtshaus selbst befindet sich seit Februar 1985 zum 87. Geburtstag des Dramatikers eine Bert-Brecht-Gedächtnisstätte. Nach einer Neugestaltung übernahm am 10. Februar 1998 der damalige bayerische Ministerpräsident Edmund Stoiber die feierliche Neueröffnung des Brechthauses. Anlass war Brechts 100. Geburtstag. Spätestens zu diesem Zeitpunkt hatte sich Augsburg mit Brecht und seinen linken Ansichten versöhnt.
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Barfüßerkirche
Brecht war Atheist, aber als 15-Jähriger liebte er die Bibel: “Dieses Buch ist so schön. Weil es stark ist. Die Menschen sollten es mehr lesen”, sagte er als Jugendlicher und schrieb er den Einakter “Die Bibel”. 2013 wurde es in der Barfüßerkirche uraufgeführt. Hier, ganz in der Nähe des Geburtshauses, war Brecht getauft und konfirmiert wurde. Die Barfüßerkirche ist der älteste protestantische Kirchenbau Augsburgs.
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Wohnung der Familie Brecht im Mehrfamilienhaus (Bei den 7 Kindeln 1)
Einige 100 Meter entfernt liegt das Mehrfamilienhaus, in dem Familie Brecht von September 1989 bis September 1900 wohnte.
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Steinerner Mann
„Schtoinerne Ma“ auf schwäbisch will mir noch nicht so recht über die Lippen gehen, woisch, aber vom Steinernen Mann hatte ich schon oft gehört im Zusammenhang mit Augsburg, seit ich hier wohne. Dass auch er mit Brecht zu tun haben könnte, hat mich erstaunt. Schließlich rankt sich um die Figur eine Sage um die Belagerung Augsburgs durch kaiserliche Truppen im 30-jährigen Krieg. Ein Bäcker soll damals das letzte Brot, gestreckt mit Sägemehl, über die Stadtmauer gehalten haben: „Ihr wollt uns aushungern? Pah! Brot haben wir im Überfluss!“, sollte das signalisieren. Zwar zerschossen die Schweden dem Bäcker den Arm, worauf der verstarb, aber der Trick klappte: Die Belagerer zogen ab. Brecht kam auf seinem Schulweg täglich an der Statue vorbei. Brechts „Mutter Courage“ soll sich auf den Steinernen Mann berufen.
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Wohnhaus in der Bleichstraße
Im Jahr 1900 zog Familie Brecht in die Bleichstraße. Hier verbrachte Brecht seine Jugendjahre und schrieb „Baal“ und „Trommeln der Nacht“. Heute heißt die Straße „Bert-Brecht-Straße“. Hier wohnen jetzt Privatleute. An Brecht erinnert eine Tafel an der Fassade.
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Augsburger Kahnfahrt
Ein paar Schritte vom Wohnhaus entfernt befindet sich die Augsburger Kahnfahrt, ein Biergarten mit Bootsverleih. Im Sommer kann man hier mit dem Bötchen auf dem Gewässer entlang der alten Stadtmauer rudern – damals wie heute. Brecht beschrieb das Areal mit der angrenzenden Kastanienallee in seinem Essay „Bei Durchsicht meiner frühen Stücke“ so: „Vorbei an meinem väterlichen Haus führte eine Kastanienallee entlang dem alten Stadtgraben; auf der anderen Seite lief der Wall mit Resten der einstigen Stadtmauer. Schwäne schwammen in dem teichartigen Wasser”. Die Idylle offenbart sich bereits im Februar auf meiner Spurensuche. Wie nett muss es hier erst im Sommer sein, wenn der Bootsbetrieb läuft. Brecht soll hier auch einige Frauenbekanntschaften getroffen haben. Das kann man sich gut vorstellen. Link zur Website der Augsburger Kahnfahrt
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Rathausplatz
Der Rathausplatz in Augsburg lässt heute nichts mehr von Brecht erahnen. Doch bezieht sich eines seiner Gedichte auf den weiten Platz.
Serenade
Jetzt wachen nur mehr Mond und Katz
Die Menschen alle schlafen schon
Da trottet übern Rathausplatz
Bert Brecht mit seinem Lampion.
Wenn schon der junge Mai erwacht
Die Blüten sprossen für und für
Dann taumelt trunken durch die Nacht
Bert Brecht mit seinem Klampfentier
Und wenn ihr einst in Frieden ruht
Beseligt ganz vom Himmelslohn
Dann stolpert durch die Höllenglut
Bert Brecht mit seinem Lampion.
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Goldener Saal
Kein Tourist lässt den berühmten Goldenen Saal aus. Bert Brecht hat ihn ebenfalls nicht ausgelassen und den illustren Saal in die Erzählung „Der Augsburger Kreidekreis“ aufgenommen (1941 veröffentlicht). Das Motiv der Kreidekreisprobe nimmt er später unter anderem im berühmten „Kaukasischen Kreidekreis“ wieder auf. Für meine erste Spurensuche „Brecht in Augsburg“ bin ich damit erst einmal zufrieden. Sicherlich gibt es noch viele weitere Bezüge. Weitere Hinweise dürfen gerne als Kommentar hinterlassen werden… J
Augsburg und Brecht: Ausgewählte Touren und Erlebnisse
Brechthaus
Im Geburtshaus des Dichters im Lechviertel befindet sich heute ein Museum zu Leben und Werk Brechts. Zu sehen sind:
- Originale wie Erstausgaben und ein Bühnebild,
- das Schlafzimmer von Brechts Mutter Brechts,
- Lebend- und Totenmaske
- Kunstwerke von Caspar Neher, Paul Hamann und Waldemar Grzimek.
- Präsenzbibliothek mit vielen von Brechts Werken
- eine Videoinstallation mit Dokumentarfilmen.
Info
Adresse: Auf dem Rain 7 Öffnungszeiten: täglich außer Montag 10-17 Uhr
Brechtfestival
Jedes Jahr im Februar widmen sich zahlreiche Häuser dem Leben und Werk Brechts – mit wechselnden Überthemen. 2016 dreht sich alles um die Frage, welches Verhältnis Brecht zu Deutschland einnahm: „Die Vaterstadt, wie empfängt sie mich wohl?“ rankt sich als Leitgedanke durch die Veranstaltungen, die vom 28.2. bis 6.3.2016 an vielen Orten stattfinden. Zur Website des brechtfestivals
Geocaching-Tour mit Brecht in Augsburg
Auf dem GPS-Schatzsuchen-Portal geocaching.com hat eine Teilnehmerin namens “madame curie” zwei Brecht-Touren eingestellt. Eine spannende Sache! Kostenlos registrieren, Tour aufs GPS-Gerät oder Smartphone laden, unterwegs miträtseln und am Ende einen Schatz finden.
Erlebnistouren mit einem Brecht-Schauspieler
Regelmäßig gibt es Augsburger Stadtführungen zu Brecht-Orten, veranstaltet von „Theater im Leben“. Dafür schlüpft ein Schauspieler in die Rolle des Dichters und begleitet den Spaziergang zu Wohnhäusern und anderen Bezugspunkten zu Brechts Leben mit szenischem Spiel und literarischen Zitaten.
Info
Kosten: je nach Gruppenstärke 10-15 Euro pro Person
Dauer: 90 Minuten
Link zu Terminen der Brecht-Führungen Link zu weiteren Erlebnisführungen in Augsburg