Mein einziger Hamsterkauf der Coronakrise führte in den Buchladen. Bücher helfen dabei, zu Hause zu bleiben – erklärtes Hauptziel: Die Kurve abflachen, also Zauberwort #flattenthecurve. Bücher bringen den Pandemie-geplagten Kopf auf andere Gedanken. Außerdem gilt es gerade jetzt, den Buchhandel zu unterstützen (in einem früheren, viel viel früheren, Leben war ich selbst mal Buchhändlerin). Gute Sätze trösten. Und nicht zuletzt hatte ich in den Zeiten des Zuhausebleibens ein schönes Projekt neben dem Homestaying-, Homeoffice- und Homeschooling-Wahnsinn.
Tag für Tag habe ich also von Mitte März bis Ende April schöne oder passende oder irgendwie berührende Texte aus meinen Lieblingsbüchern zusammengeklaubt. Diese ganzen Bücher, die ich in diesen Tagen jeweils mit einem dazu kombinierten Bild auf meinen Instagram-Kanal hochlud, habe ich natürlich nicht an einem Tag gelesen. Ich habe mich einfach jeden Tag vor mein Regal gestellt und herumgeblättert.
Angenehmer Nebeneffekt: Viele Erinnerungen frischten auf, nicht nur an die Bücher selbst, sondern auch an andere Orte der Lektüre (“Ah, das war die Urlaubslektüre da-und-da”) und Lektürepartnerinnen (in meiner Berliner Zeit hatte ich zum Beispiel eine sehr nette Buchclubrunde mit Klatsch- und Kulturlust…). Inmitten der Coronazeit alte Schätze neu heben.
44 Tage, 36 Bücher: Von A wie Albert Camus bis Z wie Juli Zeh
Hier also meine Buchtipps: Vom Beginn der Ausgangssperre (bzw. sogar ein bisschen früher) bis zu deren langsamen Lockerung. 44 Tage. 36 Bücher. Von Albert Camus bis Juli Zeh. Ein Bücher-Tagebuch, das auch nach der Corona-Zeit noch gilt.
Tag 1, 15. März, Der Gesang der Flusskrebse
“Buchhändlers aktueller Liebling” sei dieses Buch, erzählte mir eine Freundin im Februar. Tatsächlich ein gut lesbares Buch mit spannender Geschichte und einigen guten Sätzen. Hier eine Passage über ein Mädchen, das mit Hilfe eines Freundes relativ spät lesen lernt und plötzlich vor einem Wunder steht:
“Langsam enträtselte sie jedes Wort des Satzes: “Manche Menschen können ohne wilde Dinge leben, und manche können das nicht.” “Oh”, sagte sie. “Oh.” “Du kannst lesen, Kya. Es wird nie wieder eine Zeit geben, in der du nicht lesen kannst.” “Das isses nicht allein. Ich hab nich gedacht, dass Wörter so viel meinen können. Ich hab nich gewusst, dass ein Satz so voll sein kann.”
Genau! Zum Glück gibt es für Coronazeiten gute Bücher und volle Sätze.
Delia Owens, Der Gesang der Flusskrebse
Tag 2, 16. März, Der Gesang der Flusskrebse
Nochmal das gleiche Buch. Darin viele schöne Naturbeschreibungen, wie diese hier:
“Und genau in dem Moment frischte der Wind auf, und Abertausende gelbe Platanenblätter rissen sich von ihrer Lebensader los und strömten über den Himmel. Herbstblätter fallen nicht, sie fliegen. Sie nehmen sich Zeit und genießen die einzige Chance, frei zu sein.”
Delia Owens, Der Gesang der Flusskrebse
Tag 3, 17. März, Altes Land
Eins der besten Bücher, das ich in letzter Zeit gelesen habe ist “Altes Land” von Dörte Hansen. So treffend beobachtet! Quer durch verschiedene Generationen schildert sie rund um ein altes Bauernhaus im Alten Land bei Hamburg, wie sich das Leben und die Landwirtschaft und auch Ansprüche an Frauen wandeln. Das Besondere: Die Leserin entwickelt Verständnis sowohl für die konservativen alten Bauern als auch für die nach Perfektionismus strebenden hippen Aussteiger. Dazwischen immer wieder wirklich schöne Beschreibungen. Wie diese hier über das unverhoffte Wiederentdecken von Nähe bei einer verhärmten Frau angesichts ihres kleinen Neffen:
“Leon zog unauffällig den Schnuller aus der Tasche und schob ihn in den Mund. Dann lehnte er sich zurück, sein Kopf lag an ihrer Schulter, sie spürte seine weiche Haut an ihrer Wange und sein Haar. Er fühlte sich an wie ein Küken.
Vor Veras Augen verschwammen kurz die Buchstaben, sie drückte für eine Sekunde die Finger auf ihre Augenlider, dann fing sie an zu lesen. ‘Es regnete schon seit Tagen…’ Wie lange war es her, dass sie etwas gestreichelt hatte, das kein Fell trug?”
Dörte Hansen, Altes Land
Tag 4, 18. März, Altes Land
Lasst die Wolken ziehen und schaut zu. Von zu Hause aus. Und lest gute Bücher. Wie dieses hier… Siehe Text Tag 3.
Dörte Hansen, Altes Land
Tag 5, 19. März, Die Pest
In diesem Buch habe ich schon so viel angestrichen! Unbedingt lesenswert und aktuell mit so vielen passenden Gedanken, Reaktionen, Verhaltensweisen…
Albert Camus, Die Pest
Tag 6, 20. März, Ab jetzt ist Ruhe
Seit heute gilt die Ausgangsbeschränkung und die Fokussierung auf die Familie. Der Blick im Bücherregal fällt unvermittelt auf dieses Buch. Überraschend treffend in Titel, Untertitel und Cover … Ehrlich gesagt, habe ich es noch gar nicht gelesen. Vor Jahren hat eine Freundin es mir ausgeliehen (Grüße!) und ich will es WIRKLICH bald lesen und zurückgeben…
Marion Brasch, Ab jetzt ist Ruhe. Roman meiner fabelhaften Familie
Tag 7, 21. März, Unterleuten
Habe ich zum ersten Mal in Preußen gelesen und jetzt wohne ich selbst in Bayern. Das mit Juli Zehs Landschaftsbeschreibung kommt jedenfalls hin. Und vieles andere auch. Ein tolles Buch mit vielen Perspektiven auf die Realität eines Brandenburgischen Dorfes, in dem Windräder gebaut werden sollen. Sehr lesenswert!
Juli Zeh, Unterleuten
Tag 8, 22. März, 4321
Mal wieder VÖLLIG aus dem Zusammenhang gerissen, schon klar, aber das Buch ist ein toller Schmöker. Paul Auster dekliniert viermal eine Biografie durch – in vier unterschiedlichen Szenarien. Was wäre gewesen, wenn… … 2020 nicht zum Coronajahr geworden wäre?
Paul Auster, 4321
Tag 9, 23. März, Der Trafikant
Füße im feuchten Sommergras, Dunst über dem See… zumindest träumen können wir gerade. Und diejenigen Sinneseindrücke und kleinen Schönheiten genießen, die uns trotz allem geschenkt werden.
Das Buch beschreibt, wie ein 17-Jähriger von einem Wiener Tabakladen aus das Leben und die Liebe entdeckt und in Gesprächen mit Sigmund Freud versucht, den Geheimnissen seiner Gefühle, Gedanken und Lust auf die Schliche zu kommen.
Robert Seethaler, Der Trafikant
Tag 10, 24. März, Wann wird es endlich wieder so, wie es nie war
Allein der Buchtitel liest sich aktuell so ganz anders aufgeladen als vor der Coronazeit.
Joachim Meyerhoff ist Schauspieler, Regisseur und Schriftsteller und hat vier Bücher über seine Kindheit und Jugend geschrieben, die wunderbar humorvoll, tragikomisch und skurril sind und das ganze Füllhorn aus Leben, Lieben und auch Sterben über dem Lesenden ausschütten.
Joachim Meyerhoff: Wann wird es endlich so, wie es nie war
Tag 11, 25. März, Was ich liebte
Siri Hustvedt ist eine wahnsinnig beeindruckende Frau, die ich vor ein paar Monaten bei einer Lesung erlebt habe. Als sie damals den Hörsaal in Augsburg betrat, wehte ein Hauch von Manhatten durch den Raum. Dazu eine sehr angenehme Stimme und bei aller Großartigkeit ein eher zurückhaltender Ausdruck. Sie ist auch bekannt als die Frau von Paul Auster (siehe Tag 8). Nein, es muss anders herum heißen: Paul Auster ist der Mann von Siri Hustvedet.
Siri Hustvedt: Was ich liebte
Tag 12, 26. März, Wald
Zum Zitat: Auch am Himmel ist allerdings gerade wenig los… Wegen eines persönlichen Bankrotts ist eine verwöhnte Metropolbewohnerin dazu gezwungen, ihr privilegiertes, oberflächliches Leben aufzugeben und in eine einsame Hütte im Wald zu ziehen, in dem sie sich den Mühen der Selbstversorgung und Selbsterkenntnis stellt.
Ein bisschen klischeehaft, was das Thema angeht, aber ironisch und keck beschrieben von Doris Knecht, die als Journalistin und Kolumnistin eine spezielle Lockerheit im Stil an den Tag legt.
Doris Knecht: Wald
Tag 13, 27. März, Einfach so
Lily Brett! Noch so eine tolle Frau und Schriftstellerin! Ihre Protagonistin dieses Buchs lebt in Manhattan (das aktuell erschreckend leergefegt ist – bei Lily Brett pulsiert die Stadt auf jeder Seite). Sie ist witzig, hochneurotisch und Intellektuelle. Ihre Eltern sind Auschwitz-Überlebende. Ein Trauma auch für die nächste Generation. Das Lachen über einzelne Passagen bleibt der Leserin durch abrupte Kertwenden immer wieder im Halse stecken.
Lily Brett, Einfach so
Tag 14, 28. März, Bin im Garten
Draußen explodiert alles und die Welt steht still. Absurd! Das Buch von Meike Winnemuth preist in Tagebuchform auf sympathische und humorvolle Weise das Werkeln im Garten. Glücklich diejenigen, die gerade in der Erde wühlen und die Nase in frische Blüten stecken dürfen.
Meike Winnemuth, Bin im Garten
Tag 15, 29. März, Der Lauf der Zeit
Das Phänomen Zeit beschäftigt uns gerade. Wie viel Zeit bleibt dem Gesundheitssystem bis zum Höhepunkt der Kurve? Wie lange wird uns das Virus in Atem halten? Wie verbringen wir unsere verordnete Zeit zu Hause? Dann noch heute das Umstellen der Uhren auf die Sommerzeit… dieses Buch liest sich wie ein Kreisen um das relative Wesen der Zeit. Ein englischer Uhrmacher soll für einen despotischen Herrscher Chinas in der Verbotenen Stadt eine Uhr für die Ewigkeit bauen…
Christoph Ransmayer, Cox oder Der Lauf der Zeit
Tag 16, 30. März, Kruso
Klingt leider fast wie ein Kalenderspruch und wird der Intelligenz dieses Buches nicht gerecht. Beim schnellen Durchblättern fand ich den Satz für die aktuelle Lage aber passend. Ein sehr sehr gutes Buch über die besondere Rolle der Insel Hiddensee in der DDR.
Lutz Seiler: Kruso
Tag 17, 31. März, Die Pest
Was manche Berufstätige gerade für die Allgemeinheit leisten, wird hoffentlich den Blick auch in den Zeiten danach schärfen – und nicht nur durch Applaus vom Balkon, sondern durch handfeste Verbesserungen der Arbeitsbedingungen.
Es gibt gerade ja allgemein viel Solidarität … und auch Camus’ zieht ein am Ende seines beklemmenden Romans ein doch noch versöhnliches Fazit über das Verhalten der Menschen angesichts der Pest.
Albert Camus, Die Pest
Tag 18, 1. April, Abbitte
Die Familie rückt gerade extrem zusammen – mit allen Vor- und Nachteilen (und alle, die alleine leben, machen bedrängende Eindamkeit durch!). Gemeint sind in dieser Stelle aus dem großartigen Buch “Abbitte” zwei Schwestern. Um welche Tragödie es sich im Roman handelt und wie sich die familiären Beziehungen daraufhin entwickeln, sei hier mal nicht verraten. Ein tolles Buch!
Ian McEwan, Abbitte
Tag 19, 2. April, Kruso
… und sickerten und sickerten… und sickerten und sickerten…
Lutz Seiler: Kruso
Tag 20, 3. April, Das Gewicht der Worte
Gerade lesen sich doch so manche Stellen ganz anders als sonst… stecke gerade mitten im neuen Buch von Pascal Mercier, dem Autor von “Nachtzug nach Lissabon”. Ob es zu empfehlen ist? Nachzulesen bei Tag 27…
Pascal Mercier: Das Gewicht der Worte
Tag 21, 4. April, Leere Herzen
Juli Zeh hat mit “Leere Herzen” 2017 einen Politthriller vorgelegt, der in naher Zukunft spielt. Merkel hat sich zurück gezogen, stattdessen regiert eine demokratiefeindliche Bewegung. Kaltes Kalkül und eine zynische Geschäftsidee stehen im Zentrum des Geschehens. Spannend!
“Da. So seid ihr.” schreibt Zeh anstelle einer Widmung. Aktuell meldet sie sich ebenso warnend zu Wort und ruft zu Wachsamkeit auf. Passen wir angesichts der aktuellen Entwicklungen gut auf die Errungenschaften unserer demokratischen Welt auf! Auch wenn die Natur einfach immer weiter macht und jede Menge Narzissen aus den Beeten schubst.
Juli Zeh: Leere Herzen
Tag 22, 5. April, Besser
Das mit dem Radeln klappt gerade ja nur bei “dringenden” Besorgungen und für die engagiert sportliche Betätigung… einfach mal nur so losradeln und Leute sehen? Nö. Muss noch warten. Das mit den Tulpen könnte schon eher klappen. Vielleicht liefert die lokale Gärtnerei auch aus?
Doris Knecht ist österreichische Kolumnistin und schreibt sehr pointiert und witzig, im Roman “Besser” über die bröckelnde Fassade eines Upperclass-Lebens. Naja, aktuell bröckelt ja so einiges vor sich hin. Aber die Freude an Tulpen und sonnengelben Fliesen sollten wir uns nicht verderben lassen. Das geht auch zu Hause.
Doris Knecht: Besser
Tag 23, 6. April, Der menschliche Makel
Die “Rhapsodie des Lebens” ist gerade eher ein schlichtes, einstrophiges Lied – beschränkt es sich doch gerade zwangsläufig auf die eigenen vier Wände und, für einige Glückliche, auf den Garten. Oder auf den Wegesrand beim Joggen. Oder auf überraschende Momente beim Eibkaufen. Oder… jedenfalls lassen sich tatsächlich auch in diesen Tagen immer wieder auch reiche Einzelheiten aufspüren.
Philip Roth hat als großer alter Herr des amerikanischen Romans zwar ein seltsames Faible für Romanzen zwischen alten (selbstverständlich außerordentlich virilen!) Männern und jungen Frauen, aber er erzählt so dicht und fesselnd und klug, dass er für mich schlichtweg zu den besten Autoren aller Zeiten zählt.
Philip Roth: Der menschliche Makel
Tag 24, 7. April, Die Korrekturen
Eine humorvoll erzählte Familientragödie, tragikomische Einzelschicksale mit viel epischer Breite: Jonathan Franzens Korrekturen sind ein fesselnder Schmöker. Immer wieder eingestreut sind solche verblüffende, aber überraschend treffende Beschreibungen von Sinneseindrücken.
Viel Lärm gibt es ja gerade nicht in dieser Welt. Und das kann – bei allem Schrecken – auch positive Seiten zeitigen.
Jonathan Franzen: Die Korrekturen
Tag 25, 8. April, Meine geniale Freundin
Ein Hoch auf Briefe und E-Mails in diesen Zeiten! Und ebenfalls ein Hoch auf diesen vierteiligen Roman von Elena Ferrante über eine Frauenfreundschaft in Neapel von Kindesbeinen an.
Elena Ferrante: Meine geniale Freundin
Tag 26, 9. April, Liebes leben
Unmögliche Aufgaben stellt das Leben manchmal an uns – wie etwa an eine verheiratete Frau in den 1960er Jahren, die einen sehnsüchtigen Brief an ihre Zufallsbekanntschaft schreiben möchte.
Alice Munro schreibt nachvollziehbar und schonungslos über Bruchstellen, die zwischen Wünschen und Alltag klaffen. Sie hat 2013 den Literaturnobelpreis bekommen. Das Buch “Liebes Leben” versammelt 14 Kurzgeschichten, die oft von einer eigentümlichen Melancholie geprägt sind. Passt zu dieser Zeit…
Alice Munro, Liebes Leben
Tag 27, 10. April, Das Gewicht der Worte
Das neue Buch von Mercier habe ich heute durchgelesen. Ob ich es empfehlen kann? Hmmm, einige schöne Gedanken wie hier über die Musik (aber auch über das Wesen von Texten, vom Schreiben, vom Übersetzen) sind schon drin, aber insgesamt hat es viele Wiederholungen und Selbstumkreisungen und ich fand es ein bisschen zu steril konstruiert und absehbar in der Geschichte. Dann lieber die anderen Bücher aus dieser Bücherliste…!
Pascal Mercier: Das Gewicht der Worte
Tag 28, 11. April, Angerichtet
Bitterböse, witzig, überraschend ist der kurze Roman “Angerichtet” des Niederländers Herman Koch. Wann wir wohl wieder ins Restaurant dürfen? Nach dieser kurzweiligen Lektüre wünscht man sich auf jeden Fall, dass einem vergleichbare familiäre Vorkommnisse erspart bleiben… Lesetipp!
Herman Koch: Angerichtet
Tag 29, 12. April, Die Korrekturen
Schön beschrieben von Jonathan Franzen… Heute ist Ostern. Mit Superwetter und Corona. Bei mir hieß das heute eher Wald als Fluss – und da klappte es mit dem Abstand ganz gut. Die Korrekturen sind übrigens ein toller Schmöker!
Jonathan Franzen, Die Korrekturen
Tag 30, 13. April, Die Stunden
Reisen! Sehnsucht nach Ortswechsel und neuen Eindrücken. Tja, ist erstmal nicht mehr drin, und wer weiß, wie das im Sommer aussehen wird. Eine Möglichkeit für innere Tapetenwechsel sind gute Bücher. “Die Stunden” von Michael Cunningham ist solch ein gutes Buch. Drei Frauen in drei Zeiten, darunter Virginia Woolf. Dafür gab es den Pulitzerpreis. Der Film zum Buch heißt “The Hours” und vereint die grandiosen Meryl Streep, Nicole Kidman und Juliane Moore. Der Oscar für Nicole Kidman.
Beides wirklich eindrucksvolle Werke zum Lesen und Anschauen. Das vermisst man das Reisen glatt ein bisschen weniger.
Michael Cunningham: Die Stunden
Tag 31, 14. April, Die Buddenbrooks
Etepetete ist sie ja schon, die ehrwürdige Frau Konsulin Gerda Buddenbrook. Die Ausgangssperre hätte ihr vermutlich nichts ausgemacht.
Warum jetzt nicht mal einen Klassiker wie die Buddenbrooks von Thomas Mann lesen? Den Untertitel “Verfall einer Familie” wollen wir gerade aber lieber nicht so wörtlich nehmen… Ein Spitzenbuch!
Thomas Mann: Die Buddenbrooks
Tag 32, 15. April, Pfaueninsel
Je mehr es gerade vom Himmel zu erblicken gibt, umso besser… Im Roman “Pfaueninsel ” geht es eigentlich um den gleichnamigen Ort bei Berlin zur Zeit des großen Gartenbauers Lenné. Sopisticated, was Thema und Sprache angeht. Vor allem mit der besagten Insel vor dem inneren Auge, noch heute für Hauptstädterinnen (die ich zur Zeit der Lektüre selbst noch war) ein beliebtes Ausflugsziel, ein Lesegenuss.
Thomas Hettche: Pfaueninsel
Tag 33, 16. April, Stern 111
Sorgen können viele der erfrischenden Verrücktheiten ersticken, die den Alltag so viel liebenswerter machen. Das braucht schon extra Energie gerade… Das neue Buch “Stern 111” von Lutz Seiler ist voll von solchen treffenden Sätzen. Der Mann ist Lyriker und das merkt man. Die wild-verrückte Geschichte taucht atmosphärisch tief in den ersten Winter nach der Maueröffnung ein und in die zügellose Berliner Hausbesetzerszene. Bin begeistert.
Lutz Seiler: Stern 111
Tag 34, 17. April, Léon und Louise
Im zweiten Weltkrieg wurde dieser fiktive Brief verfasst. Von einer Frau, die nicht mal ahnen konnte, wo (und ob überhaupt?) ihr geliebter Mensch leben würde. Das war nochmal ein ganz anderer Maßstab… Fesselnde Liebesgeschichte!
Alex Capus: Léon und Louise
Tag 35, 18. April, In Zeiten des abnehmenden Lichts
Die neue Langsamkeit und Achtsamkeit sind in diesen entschleunigten Abstands-Zeiten ja schon geradezu sprichwörtlich geworden. Dieses Zitat stammt aus einem Roman, der eine Familiengeschichte der DDR und der ersten Nachwendejahre in spannenden Perspektivwechseln und über mehrere Generationen hinweg erzählt. Superbuch!
Eugen Ruge: In Zeiten des abnehmenden Lichts
Tag 36, 19. April, Liebes Leben
Aufmunterndes Alltagsphänomen (sofern nicht wieder verschlafen worden), schön in Worte gefasst von Alice Munro!
Alice Munro, Liebes Leben
Tag 37, 20. April, F
Wenn man sie denn überhaupt noch sehen kann, die Schönheit, mit der maskenbedingt beschlagenen Brille… Daniel Kehlmann schreibt wunderbar süffig-leicht. Hier anhand dreier Brüder über die großen Dinge Wesen, Identität, Schönheit… Bald machen die Buchhandlungen wieder auf! Und dann beende ich auch diese Buch-Postings.
Daniel Kehlmann: F
Tag 38, 21. April, Wiener Straße
Da braucht es keine weiteren Worte… Kaffee trinken ist auch eine gute Möglichkeit, die Coronazeit verstreichen zu lassen. Und der Morgen ist eh erst ein Morgen mit so einem Käffchen.
Sven Regener schreibt hier wieder über das Westberlin der 1980er Jahre. Bizarr und schräg, durchaus amüsant, aber irgendwie doch wieder das gleiche Strickmuster wie bei “Herr Lehmann” und “Neue Vahr Süd”.
Mit seiner Band “Element of Crime” wollte er im Sommer auf Tour gehen. Ob das wohl klappt?
Sven Regener: Wiener Straße
Tag 39, 22. April, Die Mittagsfrau
Wer weiß, wie bald wir den Sound von Urlaub und Meer wieder real auf die Ohren bekommen… Vorerst muss es jedenfalls reichen, durch treffende Beschreibungen den Höreindruck durch Lektüre herbeizuführen. Die Ostsee aus dem Hals einer Möwe? Passt!
In diesem Buch reist die Leserschaft durch das Leben eines Mädchens, die in den Goldenen Zwanzigern in Berlin eine große Liebe trifft, der als Erwachsene einige unheilvolle Momente im Zweiten Weltkrieg bevorstehen und die nach Kriegsende eine unfassbare Entscheidung trifft. Dass sie ihr Kind am Bahnhof zurücklässt, als sie für ein neues Leben gen Westen aufbricht, schockiert gleich im Prolog (das steht wirklich vorne im Buch – gespoilert wird hier nicht!). Auf den folgenden 400 Seiten entblättert sich ihre Biografie aber auf solch dichte Weise, dass das Verständnis in dem Maße wächst wie die noch zu lesenden Seiten schwinden.
Für dieses Buch erhielt die Berliner Autorin den Deutschen Buchpreis 2007.
Julia Franck: Die Mittagsfrau
Tag 40, 23. April, Balzac und die kleine chinesische Schneiderin
Aus China kommen gerade nicht nur das Virus und ungeahnte Überwachungstechniken, sondern auch das wirklich tolle Buch “Balzac und die kleine chinesische Schneiderin”. Wobei…. Dai Sijie ist irgendwann nach Paris ausgewandert. Aber seine Geschichte spielt in China.
Zwei Studenten werden zur Umerziehung im Mao-Chia der 1960er Jahre in eine abgelegenes Bergdorf verbannt. Durch Zufall gelangen sie an einen Koffer mit westlicher Literatur – der ihren Geist rettet und mit dessen Inhalt sie sich n das Herz einer jungen Chinesin lesen.
Solch ein süßes Buch über Freiheit, die Liebe zur Literatur und was daraus entstehen kann. Nicht zuletzt lehrt der Roman, welchen Irrtümern Männer immer wieder gerne aufsitzen, wenn es um weiblichen Entfaltungsspielraum geht. Es liest sich wunderbar!
Tag 41, 24. April, Die Mittagsfrau
Weil dieser Satz so zart ist, kommt hier nochmal die Mittagsfrau …
Julia Franck, Die Mittagsfrau
Tag 42, 25. April, Die Kosmonauten
Noch ein Berlin-Wende-Roman in meiner Liste. Witzigerweise spielt die Handlung von “Die Kosmonauten” in den gleichen Straßenzügen wie Lutz Seilers Hausbesetzergeschichte “Stern 111”, nur ein paar Jahre später.
Was eine Welt im Wandel und der unterschiedliche Blick darauf aus einer romantischen und unbeschwerten Liebe machen kann, erzählt dieser Roman von Richard David Precht. Beim Raussuchen meines täglichen Corona-Tagebuch-Satzes habe ich mich gerade wieder sehr festgelesen.
Das Thema passt gut in die aktuelle Zeit, die ja ebenfalls von Umbrüchen und wandelnden Perspektiven bestimmt ist. Schon allein bei mir kann sich der Blick auf die Großwetterlage und deren Einschätzung von Tag zu Tag ändern… Außerdem mag ich klug beobachtete Liebesgeschichten. Und Bücher über Berlin sowieso.
Tag 43, 26. April, Die Alte
Biestig, provokativ und so wahr! “Die Alte” im Titel des Buchs von Hannelore Cayre ist Mittfünfzigerin und Übersetzerin bei der Polizei, die irgendwann plötzlich im Drogenhandel mitmischt und sie alle austrickst. Viele genüsslich ausgeteilte Seitenhiebe auf eine fremdenfeindliche und ausbeutende Gesellschaft, auf Männer (sei es nun aus Milieu oder Mittelstand) und auf eine schwierige familiäre Ausgangslage machen die Lektüre zu einem großen Spaß (vor allem für Frauen?).
Hannelore Cayre, Die Alte
Tag 44, 27. April
Die Buchhandlungen öffnen wieder – sogar in Bayern! Die Coronakrise ist nicht vorbei. Diese Liste schon. Viel Spaß beim Lesen! Und schön viel zu Hause bleiben…