Standardformulierungen in Geschäftsbriefen sind praktisch. Einmal in eine Word-Vorlage kopiert, erleichtern sie den Schriftwechsel. Doch wer Kunden halten will, sollte eher auf Individualität und Freundlichkeit setzen.
Neulich bekam ich Post aus der Schule unserer Tochter. Ungewöhnlich genug – läuft die Kommunikation doch meist über E-Mail, wenn überhaupt.
Schreck 1: Ungewöhnliches Kommunikationsmedium
Ein Brief also. Muss ja sehr wichtig sein. Entsprechend hoch war meine Erwartungshaltung, als ich das Schreiben aus dem Umschlag fischte.
Schreck 2: Überzogene Formulierungen
Doch was war das? Meine Tochter habe sich „wiederholte Pflichtverletzungen zuschulden kommen lassen“? Hatte sie randaliert? Chronisch die Schule geschwänzt? Mein Puls beschleunigte sich.
Erst der nächste Satz brachte eine Erklärung. Ah… sie konnte also „die Hausaufgaben im Fach Französisch mehrfach nicht vorweisen“. Hm, klang ja erst mal nicht so tragisch. Aber die drastischen Worte „Pflichtverletzungen“ und „zuschulden kommen lassen“ hallten noch so laut nach, dass beruhigendere Gedanken keine Chance hatten.
Was war passiert?
Als meine Tochter, die ‚Wiederholungstäterin’ und ‚Pflichtverletzerin’, nach Hause kam, brachte sie Klarheit in die Geschichte. Als sie kürzlich wegen Krankheit nicht zur Schule hatte gehen können, hatte sie sich nicht selbständig um die fehlenden Arbeitsblätter gekümmert. Punkt. Mehr nicht.
Natürlich ist es für die Lehrerin nervig, wenn immer wieder Schülerinnen ohne das erforderliche Material erscheinen. Und natürlich stört es den Unterricht, wenn so etwas mehrfach geschieht. Aber ist ein solcher Brief mit diesen Formulierungen dann angemessen?
Bei nächster Gelegenheit sprachen wir Eltern sowohl die Lehrerin als auch die Schulleitung vorsichtig auf diesen Brief an. Wir ernteten Erstaunen: „Empfinden Sie die Wortwahl wirklich als übertrieben?“ und „Aber das ist einfach ein Formbrief, den wir rausschicken, wenn so etwas dreimal vorkommt“.
Natürlich tut der Brief niemandem weh. Aber wie leicht wäre es, mit wenigen Maßnahmen mehr Freundlichkeit in den Alltag einziehen zu lassen. Dieses Phänomen trifft ebenso auf die Geschäftswelt zu. Allzu oft heißt es etwa “Überweisen Sie UNVERZÜGLICH!” oder “Nehmen Sie zur Kenntnis, dass…”.
Warum Sie mit zu viel Förmlichkeit Kunden vertreiben
Formbriefe sparen Zeit – ob in der Schule oder auch im Unternehmen. Doch was spricht dagegen, freundlichere Formulierungen zu finden und die Wortwahl weniger nach Juristendeutsch klingen zu lassen? Warum fehlt das Bewusststein, dass allein der Klang von Worten Assoziationen weckt an die Staatsanwaltschaft? Warum nicht einfach schreiben, was vorgefallen ist?
Hier ein Vorschlag:
„[Name] fehlten dreimal die Unterlagen für das Fach [xy]. Wir erwarten, dass sie in Zukunft besser daran denkt und dass sie sich nach einer Krankheit selbständig um die fehlenden Arbeitsblätter kümmert. Nur so schaffen wir im Unterricht das erforderliche Lernpensum. Damit [Name] auf dem gleichen Stand bleibt wie ihre Mitschülerinnen und Mitschüler, muss sie den versäumten Stoff am [Termin] in [Ort] nachholen“.
Geschäftsbriefe: Vergraulen Sie noch oder pflegen Sie schon?
Geschäftsbriefe prägen das Unternehmensbild. Wer in Rechnungen, Angeboten und Mahnungen steif, unverständlich oder unfreundlich rüberkommt, verschafft dem Absender ein schlechtes Image. Sogar an den automatisierten E-Mails, die über eine urlaubsbedingte Abwesenheit informieren“ lässt sich ablesen, ob jemand das Gegenüber schätzt. Manchmal sind es kleine missverständliche Formulierungen, die eine Kommunikation vermiesen können. Ein Beispiel:
Die Marketingberaterin Olga Benner schilderte in ihrem Blogbeitrag „Anzeigen oder lieber zeitgemäß und freundlich kommunizieren“ von einem Vorfall aus dem Agenturalltag. Einer ihrer Kunden hatte den Anbieter gewechselt – ein üblicher Vorgang, geschehen im freundlichen Einvernehmen. Ein Brief des zukünftigen Auftragnehmers jagte ihr durch die Formulierungen jedoch einen gehörigen Schreck ein.
“Ich zeige an”
„Ich zeige an…“ waren die ersten Worte. Der feine Unterschied zwischen „etwas anzeigen“ = „bekannt machen“ und „jemanden anzeigen“ = „eine Anzeige erstatten“ kann in der ersten Aufregung schon einmal untergehen. Es folgte prompt ein leicht verstimmter E-Mail-Wechsel, der leicht hätte vermieden werden können. Denn wenn jeder die Formulierungen in solchen Formbriefen überdenkt und individueller schreibt, funktioniert Kommunikation besser.
Schlechte Briefe schaden Ihnen
Briefe sind persönliche Anschreiben. Briefe sind schlecht, wenn sie
- nicht individuell sind,
- steif und allzu förmlich formuliert sind,
- unfreundlich sind.
Schlechte Briefe können jemandem den Tag vermiesen. Schlimmer noch: Sie können dem Ruf eines Unternehmens oder auch einer Schule schaden. Sie können Kunden und Interessenten verprellen.
So schreiben Sie gute Geschäftsbriefe
- Wählen Sie eine persönliche Anrede. Ein „Guten Tag Herr Schmidt“ tönt viel verbindlicher als das distanzierte „Sehr geehrter Herr Schmidt“.
- Steigen Sie mit einer positiven Botschaft ein – das kann zum Beispiel ein Dank sein für das Interesse, die Kontaktaufnahme oder ähnliches. Da lässt sich sicher etwas finden!
- Schreiben Sie so, wie Sie sprechen. Verzichten Sie auf umständliche Formulierungen, auf Phrasen und Worthülsen.
- Rutschen Sie nicht in eine allzu steife Amtssprache ab. Das distanziert und verschreckt. Schreiben Sie konkret und lebhaft.
- Schreiben Sie positiv und verzichten Sie auf zu häufiges Verneinen.
- Nutzen Sie kurze Sätze statt Schachtelsätze.
- Gehen Sie individuell auf Ihr Gegenüber ein – und sei es nur, indem Sie den Wohnort aufgreifen („Schöne Grüße nach München“).
- Verabschieden Sie sich nicht standardmäßig „mit freundlichen Grüßen“, sondern eher mit „besten“ oder „sommerlichen Grüßen“.
Briefe können den Tag vermiesen … oder retten
Der Schul- und Arbeitsalltag hält schon genügend Tücken bereit. Sorgen wir doch mit unseren Texten für ein wenig mehr Lebensfreude. Wie viel schöner ist es, mit gewitzten Formulierungen ein Lächeln auf das Gesicht der Geschäftspartner zu zaubern statt sie mit Formalitäten zu verärgern.