Sind Texte besser üppig wie die Wieskirche oder klar wie St. Moritz?
Übertreiben oder nicht: Wie Unternehmer mit dem besten Mix aus Meinung und Information bessere Texte schreiben und ihre Kunden damit erreichen
Was bei manchen Texten geht, ist bei anderen verpönt. Gerade Unternehmerinnen und Unternehmer, die sich vor allem um ihre Produkte und Dienstleistungen kümmern möchten, verzagen manchmal angesichts der journalistischen Vielfalt. Denn wer den falschen Ton wählt, riskiert, dass
- die Kunden sich nicht angesprochen fühlen,
- die Multiplikatoren (Medienvertreterinnen und -vertreter) weghören und
- der Kern des Unternehmens sich nicht in den Texten widerspiegelt.
Unternehmerinnen und Unternehmer sowie Selbständige haben meist mit den folgenden Textsorten zu tun:
- Bericht,
- Blogbeitrag,
- Interview,
- Geschäftsbrief,
- Servicetexte,
- Pressemitteilungen.
Jede dieser Textformen stellt ganz bestimmte Anforderungen an
- Stil,
- Formulierungen,
- den Grad der Ausschmückung,
- den Anteil von Meinungen.
Nur wer jeweils den richtigen Ton trifft, erreicht mit Texten, dass Kunden wiederkommen oder neu hinzukommen und dass die Presse wunschgemäß reagiert.
Um grundsätzlich die Unterschiede zwischen Textsorten zu verstehen, entfernen wir uns kurz von den speziellen Belangen von Kleinunternehmern und Selbständigen. Was wir verstehen müssen sind die Unterschiede zwischen den Textsorten. Manchmal ranken sich prächtige Adjektive um Sachverhalte, Verben stürmen drängend voran, um vom nächsten Kurzsatz rasant ausgebremst zu werden. Manche Texte verfügen über so viel erzählerische Dichte, dass das Lesepublikum mitgerissen wird von Rhythmus und Emotion. Als Beispiel dienen hier vier Zeilen über eine Quelle aus Schillers Ballade „Die Bürgschaft“:
“Und horch! da sprudelt es silberhell,
Ganz nahe, wie rieselndes Rauschen
Und stille hält er zu lauschen,
Und sieh, aus dem Felsen, geschwätzig, schnell,
Springt murmelnd hervor ein lebendiger Quell”
Kurze, klare Sätze mit neutralen Begriffen und so wenig Emotion wie möglich markieren den stilistischen Gegenpol. Hier, thematisch passend, der Wikipedia-Eintrag über den Begriff „Quelle“:
Eine Quelle ist ein Ort, an dem dauerhaft oder zeitweise Grundwasser auf natürliche Weise an der Geländeoberfläche austritt. Meistens handelt es sich dabei um aus Niederschlägen gespeistes (meteorisches) Grundwasser. Nur in seltenen Fällen entstammt das Wasser tieferen Teilen des Erdinneren (juveniles Wasser)
Kommt der eine Text üppig daher wie ein barocker Prachtbau, beschränkt sich der andere auf klare Strukturen und möglichst große Schlichtheit – als träfe die Wieskirche auf Augsburgs St. Moritz. Doch wann darf sich die Texterin am schwelgerischen Zusammenspiel von Architektur, Malerei und Licht wie beim Weltkulturerbe-Prachtbau der Wieskirche berauschen und wann sollte sie sich bescheiden der Gesamtstruktur des Baus unterwerfen und auf jede Ausschmückung verzichten wie in der Aufsehen erregenden Klarheit von St. Moritz?
Kurzum: Welche Textsorten verlangen nach einer üppigen Ausstattung und welche kommen mit klarer Linie am besten schnell zum Punkt?
Was Journalismus trennt, vereint die PR
Information oder Meinung? Redaktioneller Beitrag oder Werbung? In journalistischen Medien gelten scharfe Trennungsregeln zwischen diesen Bereichen. Dagegen handelt es sich bei PR- und Unternehmenstexten meist um Mischformen, weil sie ein bestimmtes Ziel verfolgen.
Bessere Texte dank “klarer Kante“!
Meldung
Knallharte Fakten, knapp präsentiert: Die Meldung ist die kürzeste journalistische Darstellungsform. Meinungen haben hier nichts zu suchen, Abschweifungen eh nicht. Ihre Mission: Informieren, informieren, informieren – und das so knapp wie möglich. Beispiel: Veranstaltungshinweis.
Nachricht
Die große Schwester der Meldung: Vom Charakter her ähnlich, nur länger. Hier ein paar erläuternde Details, da eine Handvoll Hinweise auf die Vorgeschichte, aber immer noch bleibt die Aufgabe des schlichten Informierens.
Bericht
Und hier kommt noch der große Bruder von Meldung und Nachricht, der neben der sachlich präsentierten Neuigkeit längere Passagen zu den Hintergründen und zum Ausblick erlaubt.
Geschäftsbrief
Direkte Anrede, knappe Botschaft: Der Geschäftsbrief sollte so wenig abdriften wie möglich. Hier sind klare Aussagen gefragt. Punkt.
Servicetexte
Klarer Mehrwert, nützlicher Service und praktische Infos: Wer sich als Experte auf seinem Gebiet hervortut und die Vorteile seines Angebots fundiert hervorhebt, befriedigt die Bedürfnisse der Kunden und weckt deren Interesse. Mit einem journalistischen Bericht haben solche Ratgeberbeiträge nichts zu tun, sind sie doch vom unternehmerischen Interesse gefärbt. Dennoch sollten hier klare Fakten sprechen. Denn auch die Kunden reagieren allergisch auf allzu werbende Übertreibungen.
Bessere Texte dank Emotion, Meinung und erzählender Ausschmückung
Interview
Werden Sie als Unternehmer/Unternehmerin von einem Medienvertretenden interviewt, dürfen Sie sich ruhig ein wenig schwelgen in Ausschmückungen – natürlich ohne den Markenkern zu vernachlässigen. In Interviews soll es menscheln – und zwar mit zum Beispiel mit den folgenden Elementen:
- Vertreten Sie eine klare Meinung
- Erzählen Sie anekdotenreich
- Gewähren Sie einen Blick hinter die Kulissen
Blogbeitrag
Viele Kunden wünschen sich Orientierung in der wachsenden Flut an Informationen, Dienstleistungen und Produkten. Mit einem Unternehmensblog können Sie sich von einem Mitbewerber abgrenzen, der sich ganz neutral präsentiert. Bringen Sie im Unternehmensblog Ihrem Kundenkreis die menschliche Seite Ihres Unternehmens näher und erzählen Sie von kleinen und großen Begebenheiten des Alltags. Nutzen Sie die Firmenwebsite außerdem, um den Kundenstamm mit besonders nutzwertigen Informationen an Ihr Unternehmen zu binden.
Magazinartikel
Kundenmagazine bilden auch im digitalen Zeitalter ein spannendes Medium, mit dem Unternehmen ihre Ziele auf unterhaltende, informative und erzählende Weise in ein ästhetisch ansprechendes Licht rücken. Ihren Ausgangspunkt haben sie häufig in journalistischen Reportagen: Eine fundierte Recherche ist Pflicht. Ihre besonders kundenfreundliche Ergänzung finden diese Texte in Elementen mit ausgesuchtem Servicecharakter: Tipps, Adressen, Checklisten und vieles weitere halten die Kunden bei der Stange.
Pressemitteilung
Wie kommt Ihr Unternehmen in die Presse? Mit wortreichen Ausschmückungen oder mit schlichter Klarheit? Hier gilt ein klares „Bitte von beidem etwas“: Zuallererst muss Ihre Pressemitteilung frei sein von werblichen Aussagen und von Übertreibungen aller Art. Bringen Sie die Botschaft (und bitte nur EINE!) möglichst klar, knapp und deutlich rüber. Doch ein bisschen Ausschmückung darf nach den straffen ersten zwei Absätzen gerne sein, und zwar beispielweise durch einen O-Ton, der prägnant eine Meinung wiedergibt.
Alles klar?
Ein bisschen Wieskirchen-Abschweifung hier, viel Moritzkirchen-Klarheit da – wer als Unternehmerin oder Unternehmer bessere Texte schreiben will, aber noch unsicher ist, ob die eigenen Ideen zünden, holt sich am besten den klaren, wenig abschweifenden Rat einer Texterin.